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SALZBURGER FESTSPIELE18. JULI — 31. AUGUST 2022

DirektoriumHelga Rabl-StadlerPräsidentinMarkus HinterhäuserIntendantLukas CrepazKaufmännischer DirektorBettina HeringSchauspielFlorian WiegandKonzertAbbildung Titelseite:Rebecca Horn, Zen of Raven, 20082Vorwort5OPER35SCHAUSPIEL61KONZERT105JUNG & JEDE*R117SERVICE152SPIELPLAN150Nachweise & Impressum

SALZBURGER FESTSPIELE 2022 VORWORTVerehrtes Festspielpublikum!Esteemed Festival Visitors!„Die Kunst ist eine Sprache, die Verborgenes aufdeckt, Verschlossenes aufreißt, Innerstes fühlbarmacht, die mahnt — erregt — erschüttert — beglückt.“Das war der Kernsatz jener Rede, auf den NikolausHarnoncourt 1995 zum 75-Jahr-Jubiläum der Salzburger Festspiele sein Publikum einschwor. Undmit dem er mich, die neue Festspielpräsidentin, sofort entflammte.Die Kunst als Sprache, die alles kann, wenn sienur will und wenn man sie lässt.„Die Kunst als Lebensmittel“ (O-Ton Max Reinhardt)und nicht ausschließlich als Dekoration des Lebens.„Die Festspiele als eine Angelegenheit der euro päischen Kultur, von eminenter politischer, wirtschaftlicher und sozialer Bedeutung“, wie Hugovon Hofmannsthal die Aufgabe Salzburgs besonders eindringlich formulierte.Dass ich mehr als ein Vierteljahrhundert der hundert jährigen Geschichte am Gesamtkunstwerk Festspielemitgestalten durfte, erfüllt mich mit einem unend lichen Glücksgefühl, dem ich in diesem Adieu Ausdruck verleihen möchte.‘Art is a language that reveals what is hidden,tears open what is sealed, and gives shape to whatis deep inside. It exhorts, excites, unsettles and de lights.’ This was the crux of a 1995 speech made byNikolaus Harnoncourt for the 75th anniversary of theSalzburg Festival, which drove his message hometo the audience. As the newly appointed FestivalPresident, I was immediately transfixed by this idea.Art as a language that has the power to do every thing it sees fit, so long as you let it.‘Art as nourishment’, to quote Max Reinhardt, ratherthan just a decorative add-on to our lives.Hugo von Hofmannsthal vividly summed up ourremit in Salzburg when he declared the Festival‘a matter of European culture, of eminent political,economic and social importance’.As I bid this institution a fond adieu, it fills mewith infinite happiness that I was able to serve theGesamt kunstwerk that is the Salzburg Festival formore than a quarter of its hundred-year history.All die Prädikate, die uns von Wissenschaft, Feuilleton und Ihnen, dem herrlichen Publikum, verliehenwurden, sind Auftrag und Verantwortung zugleich.· Festspiele als Kompass in unsicheren Zeiten.· Festspiele als Leuchtfeuer auf der Suche nach dereigenen Identität, nach dem Sinn des Lebens.· Und immer wieder Festspiele als europäisches Gedächtnis.Am stimmigsten aber scheint mir die vom Kulturphilosophen Bazon Brock gewählte Definition: Festspiele als Begeisterungsgemeinschaft. Umfasst siedoch jene drei Kraftquellen, durch deren Zusammen wirken das Wunder Festspiele erst möglich wird:· Uns, die Festspielmacher und -macherinnen; ander Spitze unser Intendant Markus Hinterhäuser,Danke!Helga Rabl-Stadlerdem es alljährlich gelingt, Salzburg zu einem Epizentrum des Besonderen zu machen.· Vor allem aber die Künstlerinnen und Künstler,die im besten Falle Ereignisse schaffen, die weitin den Alltag nachklingen, und nicht bloß Events.In un serem Memorandum zum 100-Jahr-Jubiläumheißt es dazu: „Die Salzburger Festspiele verstehensich als internationales Festspiel: internationalin ihrer Programmatik, durch die mitwirkendenKünstler innen und Künstler und ihre Besucherinnenund Besucher aus aller Welt.“· Welche Kraft uns von Ihnen, dem Publikum, ent gegenströmt, hat niemand schöner beschriebenals Max Reinhardt: „Nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Zuschauerraum müssen die Bestensein, wenn das vollkommene Wunder entstehensoll, dessen das Theater an glücklichen Abenden fähig ist.“Sie, verehrte Besucherinnen und Besucher, habenganz entscheidend dazu beigetragen, dass dieSchatten der Pandemie in den so schwierigen vergangenen zwei Jahren nicht auf die Festspiele fielen.Dass wir wie 1920 und 1945 auch 2020 Leuchtturmprojekt sein konnten.Zum Abschied als Festspielpräsidentin bitte ich Sieweiter um Ihr Interesse an der Kunst, um Ihre Neugier, ja geradezu um Ihre Leidenschaft. Ich glaubefest daran, dass die Kunst in unserer ziemlich ausden Fugen geratenen Welt Orientierung bietenkann.Wir wollen mit unserem Programm 2022 in Oper,Theater und Konzert die richtigen Fragen stellen.Wir wollen Mut zum Tiefer- und Weiterdenken machen. Wir wollen die Fantasie für neue Lösungenwecken. Und ich darf im Publikum — an Ihrer Seite —Mitglied der Begeisterungsgemeinschaft sein.Präsidentin der Salzburger Festspiele2All the accolades we received from scholars andjournalists, as well as from you, our wonderful audi ence, are a confirmation of both our remit and ourresponsibility.· The Festival as a compass in uncertain times.· The Festival as a beacon in the search for one’sown identity, for the meaning of life.· And the Festival as a recurring locus of Europeanmemory.However, the definition chosen by the culturalphilosopher Bazon Brock strikes me as the mostcoherent: the Festival as a community of devotees.This embraces three sources of strength that workin synergy to bring about the marvel that is theFestival:· Everyone behind the scenes, led by our artisticdirector Markus Hinterhäuser, who succeeds everyyear in making Salzburg an epicentre of theextraordinary.· But above all, it is the artists who strive to createnot just a spectacle, but truly great performancesthat linger on in our daily lives. As our memorandumfor the centenary states: ‘The Salzburg Festival re gards itself as an international festival: internationalthrough its programming, through the artists whoperform here, and through audience members whocome from all over the world.’· As for the strength that flows towards us from you,our audience, nobody described it more wonderfullythan Max Reinhardt: ‘the best must not only beon stage but also in the auditorium, if the perfectmiracle of which theatre is capable on a propitiousevening is to occur.’You, our esteemed visitors to the Festival, played adecisive role in ensuring that the pandemic did notcast a dark shadow over the Festival during the dif ficulties of the last two years. You rallied round andmade us a guiding light in 2020, just as we were in1920 and 1945.With this, my farewell as Festival President, I urgeyou to keep nourishing your interest in art. Staycurious and stay passionate. I am a firm believer inthe power of art to offer orientation in an uncertainworld.With our 2022 programme of opera, drama andconcert performances, we want to ask the rightquestions. We want to encourage our audience tothink deeper and more broadly. We want to fire upthe imagination for new solutions. And I will bein the audience — at your side — as a member ofthe community of devotees.Thank you!Helga Rabl-StadlerPresident of the Salzburg Festival3

OPERBéla BartókHERZOG BLAUBARTS BURGCarl OrffDE TEMPORUM FINE COMOEDIAGiacomo PucciniIL TRITTICOWolfgang Amadeus MozartDIE ZAUBERFLÖTEGioachino RossiniIL BARBIERE DI SIVIGLIALeoš JanáčekKÁŤA KABANOVÁGiuseppe VerdiAIDAWolfgang RihmJAKOB LENZGaetano DonizettiLUCIA DI LAMMERMOORRebecca Horn, Thermomètre d’amour, 19855

SALZBURGER FESTSPIELE 2022 OPERBéla Bartók (1881—1945)HERZOG BLAUBARTS BURGA kékszakállú herceg vára — Oper in einem Akt op. 11 Sz 48 (1918)Libretto von Béla BalázsNeuinszenierungIn ungarischer Sprache mit deutschen und englischen ÜbertitelnCarl Orff (1895—1982)DE TEMPORUMFINE COMOEDIAFELSENREITSCHULEPremiere DI 26. Juli, 19:00SO 31. Juli, 18:00DI 2. August, 19:00SA 6. August, 15:00MO 15. August, 19:30SA 20. August, 20:00Das Spiel vom Ende der Zeiten — Vigilia (Urfassung 1973)Libretto von Carl Orff unter Verwendung von Textenaus den Sibyllinischen Weissagungen und den Orphischen HymnenIn altgriechischer, lateinischer und deutscher Sprache mit deutschen und englischen ÜbertitelnMit Unterstützung der Carl-Orff-StiftungTeodor Currentzis Musikalische LeitungRomeo Castellucci Regie, Bühne,Kostüme und LichtPiersandra Di Matteo DramaturgieCindy Van Acker ChoreografieTheresa Wilson Zusammenarbeit KostümeMaxi Menja Lehmann Mitarbeit RegieAlessio Valmori Mitarbeit BühneMarco Giusti Mitarbeit LichtMika Kares Herzog BlaubartAusrine Stundyte JudithNadezhda Pavlova SopranHelena Rasker Altund anderemusicAeterna ChoirVitaly Polonsky ChoreinstudierungBachchor SalzburgBenjamin Hartmann ChoreinstudierungSalzburger Festspiele und Theater KinderchorWolfgang Götz ChoreinstudierungGustav Mahler JugendorchesterRebecca Horn, Knuggle Dome for James Joyce, 2004Realized in partnership with GES-2 House of Culture7

HERZOG BLAUBARTS BURG / DE TEMPORUM FINE COMOEDIASALZBURGER FESTSPIELE 2022 OPER„Das Ende aller Dinge wird aller SchuldVergessung sein.“Romeo Castellucci und Teodor Currentzis kehrenfür ein ungewöhnliches Programm nach Salzburgzurück: Herzog Blaubarts Burg von Béla Bartók, gekoppelt mit De temporum fine comoedia vonCarl Orff — zwei Werke, die auf formaler Ebenewie Gegensätze scheinen.Herzog Blaubarts Burg, ein Höhepunkt im Musik theater des frühen 20. Jahrhunderts, wurde 1911auf einen Text von Béla Balázs komponiert. Die Geschichte von Blaubart hat ihren literarischen Arche typ in Charles Perraults Märchen und erzählt von einem Frauenmörder, der seiner von Neugier getriebenen jüngsten Gemahlin verbietet, eine Türzu öffnen, hinter der er ihre getöteten Vorgängerinnen versteckt hat. Bartóks Oper entwickelt sich ganzaus dem Dialog zwischen den beiden Protagonisten, Blaubart und Judith, und offenbart eine Auf fassung des Dramas als eine Art geistiges und emotionales Kraftfeld. „Wo ist die Bühne: außenoder innen?“, heißt es im Prolog, als Einladung andie Zuschauerinnen und Zuschauer, sich Fragenüber das rätselhafte Wesen des Theaters als Widerschein des Realen zu stellen.Judith hat ihre Eltern und den Mann, der sie liebte,verlassen, um Blaubarts Frau zu werden. Er führt siein seine dunkle, fensterlose Burg — eine steinerneBehausung, doch zugleich ein fühlender Raum, derweint, bebt und stöhnt und in dem sich sieben verschlossene Türen befinden. Die junge Frau will erfahren, was die verbotenen Zimmer enthalten, undsie mit Licht und Wärme erfüllen. Obwohl Blaubartsie von ihrem Wunsch abzubringen versucht, verlangt Judith die Schlüssel und öffnet die Türen einenach der anderen: Sie erblickt Foltergeräte, Waffen,Schätze, Geschmeide, einen Garten — und überallentdeckt sie beunruhigende Spuren von Blut. Diesiebente Tür schließlich enthüllt Blaubarts frühereEhefrauen, in reiche Gewänder gekleidet: dieFrauen des Morgens, des Mittags und des Abends.Mit Juwelen geschmückt und in einen Sternen mantel gehüllt, wird Judith zur Frau der Nacht. DieKonzentriertheit der Handlung, das Fehlen räumlich- zeitlicher Ko ordinaten und die unergründliche Atmo sphäre verweisen auf eine Reise, die sich ganz imInneren vollzieht.8Das Thema von De temporum fine comoedia hin gegen ist das Jüngste Gericht, in einer Reinter pretation, die in Orffs persönlichen religiösen Anschauungen wurzelt. Die Erstellung des Textes inAltgriechisch, Latein und Deutsch beschäftigte denKomponisten ein ganzes Jahrzehnt bis 1970, wobeider Wesenskern des Werkes zunehmend von derapokalyptischen Vision des alexandrinischen Theologen Origenes bestimmt wurde, in der am Endeder Zeiten auch den Dämonen Vergebung und Rettung zuteilwird.Im ersten Teil der Comoedia verkünden neun Sibyllen das bevorstehende Weltende und die ewige Verdammnis der Gottlosen. Diesen Prophezeiungen setzen neun Anachoreten im zweiten Teilein entschiedenes „Nein“ entgegen: Jener letzte Tagwird, so erkennen die gelehrten Eremiten, nicht alsTriumph eines strafenden Gottes hereinbrechen,sondern als Aufnahme des Bösen in das Göttliche.Die Tilgung aller Schuld und die Rückkehr aller Wesen zu Gott finden im dritten Teil ihren Höhepunktin der Rückverwandlung Lucifers in den „Lichtbringer“ von einst. Seine Bitte um Vergebung kleidetder gefallene Engel in Worte aus dem Gleichnisvom verlorenen Sohn: „Pater peccavi.“Orffs Oratorienoper, die Romeo Castellucci undTeodor Currentzis erstmals seit der Salzburger Uraufführung im Jahr 1973 wieder auf die Festspielbühne bringen, überwältigt durch ihre urtümlicheEnergie. Diese resultiert nicht zuletzt aus beharrlichwiederholten rhythmischen Mustern, einem mechanischen Bewegungsprinzip, das eine Vielzahl vonPersonen erfasst und von der Choreografin CindyVan Acker in Körperpartituren übersetzt werdenwird. Die Atmosphäre, die Herzog Blaubarts Burgdurchdringt, ist diametral entgegengesetzt: Castellucci begegnet der düsteren Intimität eines Dramasohne äußere Aktion, indem er auf den Blickpunktvon Judith fokussiert — und auf ein Trauma, das einTheater der Psyche entfesselt.Das Nebeneinander der beiden Werke offenbarttiefe Verbindungen, und es scheint, als würde dasWeltgericht Judith gelten, als hätte sie selbst einVerbrechen begangen Piersandra Di Matteo‘The end of all things will be the abolishingof all wrong.’Romeo Castellucci and Teodor Currentzis return toSalzburg for an unusual programme: Béla Bartók’sBluebeard’s Castle coupled with De temporum finecomoedia by Carl Orff — two works that in formalterms seem complete opposites.A pinnacle of early 20th-century musical theatre,Bluebeard’s Castle was composed to a text by BélaBalázs in 1911. The story of Bluebeard has its literaryarchetype in Charles Perrault’s fairy tales and tells ofa wife-murderer who forbids his latest wife, who isdriven by curiosity, to open a door behind which hehas hidden his previous victims. Bartók’s opera de velops entirely out of the dialogue between the twoprotagonists, Bluebeard and Judith, revealing anapproach to the drama as a kind of spiritual andemotional force field. ‘Where is the stage: outsideor within?’, as the prologue puts it, an invitation tothe audience to ask themselves questions aboutthe enigmatic nature of theatre as an allusive rever beration of the real.Judith has left her parents and the man who lovedher in order to be Bluebeard’s wife. He leads herinto his dark, windowless castle — a stone dwelling,yet at the same time a sentient space that weeps,quakes and groans, and which has seven lockeddoors. The young wife wants to know what theforbidden chambers contain, wishing to fill themwith light and warmth. Although Bluebeard tries todissuade her, Judith demands the keys and opensone door after the next: there she sees instrumentsof torture, weapons, treasures, jewellery, a garden —and everywhere she discovers alarming traces ofblood. The seventh door finally reveals Bluebeard’sprevious wives, clothed in rich attire: the wives ofthe Dawn, Noon and Dusk. Decked with jewels andswathed in a cloak of stars, Judith be comes thewife of the Night. The concentrated action, lack ofspatio-temporal coordinates and the mysteriousatmosphere indicate a journey that takes placeentirely within.By contrast, the subject of De temporum finecomoedia is the Last Judgement, in a reinter pretation rooted in Carl Orff’s personal religiousbeliefs. The writing of the text in Ancient Greek,Latin and German took the composer a wholedecade, from 1960 to 1970, with the essence of thework being increasingly determined by the apoca lyptic vision of the Alexandrian theologian Origen,in which at the end of time even demons will begranted forgiveness and salvation.In the first part of the Comoedia nine Sibyls an nounce the imminent end of the world and theeternal damnation of the godless. In the secondpart these prophecies are countered by an emphatic‘No’ from nine Anchorites: the learned hermits havecome to understand that the final day will dawn notas the triumph of a punitive God but as the absorp tion of evil into the divine. The redemption of allwrongs and the return of all beings to God reachesits climax in the third part in the retransformation ofLucifer into the ‘bringer of light’ that he once was.The fallen angel couches his plea for forgiveness inwords from the parable of the prodigal son: ‘Paterpeccavi.’Brought to the Festival stage by Romeo Castellucciand Teodor Currentzis for the first time since itspremiere in Salzburg in 1973, Orff’s opera-oratoriooverwhelms the listener with its primeval energy.The latter results not least from persistently iteratedrhythmic patterns that involve a host of figuresanimated by a mechanical principle of motion thatwill be translated into bodily movement scores bythe choreographer Cindy Van Acker. The atmos phere that permeates Bluebeard’s Castle is dia metrically opposed: Castellucci re sponds to thebleak intimacy of a drama without external actionby focusing on Judith’s viewpoint — and on a traumathat unleashes a theatre of the psyche.Concealed in the juxtaposition of the two works,between interiority and an explosion of violentpower, are profound connections, as if the Dayof Judgement has arrived for Judith, as if sheherself had committed a crime Piersandra Di MatteoTranslation: Sophie Kidd9

SALZBURGER FESTSPIELE 2022 OPERGiacomo Puccini (1858—1924)IL TRITTICODrei Opern in je einem Akt (1918)GIANNI SCHICCHI · Libretto von Giovacchino Forzano nach einer Episodeaus dem ersten Teil (Inferno) der Divina Commedia (1321) von Dante AlighieriIL TABARRO · Libretto von Giuseppe Adami nach dem SchauspielLa Houppelande (1910) von Didier GoldSUOR ANGELICA · Libretto von Giovacchino ForzanoIn italienischer Sprache mit deutschen und englischen ÜbertitelnFranz Welser-Möst Musikalische LeitungChristof Loy RegieEtienne Pluss BühneBarbara Drosihn KostümeFabrice Kebour LichtYvonne Gebauer DramaturgieGIANNI SCHICCHIMisha Kiria Gianni SchicchiAsmik Grigorian LaurettaEnkelejda Shkosa ZitaAlexey Neklyudov RinuccioDean Power GherardoLavinia Bini NellaManel Esteve Betto di SignaBrindley Sherratt SimoneIurii Samoilov MarcoCaterina Piva La CiescaMatteo Peirone Maestro SpinelloccioMikołaj Trąbka Ser Amantio di NicolaoAlexey Kulagin* Pinellino* Teilnehmer des Young Singers ProjectRebecca Horn, Thermomètre d’amour, 1985Koproduktion mit der Opéra national de ParisNeuinszenierungGROSSES FESTSPIELHAUSPremiere FR 29. Juli, 18:00FR 5. August, 18:30DI 9. August, 18:30SA 13. August, 18:30DO 18. August, 18:30SO 21. August, 19:00IL TABARRORoman Burdenko MicheleAsmik Grigorian GiorgettaJoshua Guerrero LuigiAndrea Giovannini Il “Tinca”Brindley Sherratt Il “Talpa”Enkelejda Shkosa La FrugolaDean Power Un venditore di canzonette / Un amanteSUOR ANGELICAAsmik Grigorian Suor AngelicaKarita Mattila La Zia PrincipessaHanna Schwarz La BadessaEnkelejda Shkosa La Suora ZelatriceCaterina Piva La Maestra delle NovizieGiulia Semenzato Suor GenovieffaDaryl Freedman Suor DolcinaJuliette Mars La Suora InfermieraLavinia Bini Prima CercatriceAmira Elmadfa NoviziaKonzertvereinigung Wiener StaatsopernchorJörn Hinnerk Andresen ChoreinstudierungSalzburger Festspiele und Theater KinderchorWolfgang Götz ChoreinstudierungAngelika-Prokopp-Sommerakademie derWiener Philharmoniker BühnenmusikWiener Philharmoniker11

IL TRITTICOSALZBURGER FESTSPIELE 2022 OPER„Lieber nicht nachdenken;senk den Kopf und beug den Nacken.Für uns hat das Leben keinen Wert mehr,und alle Freuden werden zu Schmerzen.“Geschrieben mitten im Ersten Weltkrieg, erlebtIl trittico seine Uraufführung am 14. Dezember 1918in New York. In einer Zeit der Krise, in der alle Wertein Frage gestellt sind, erscheint einem Komponistenwie Giacomo Puccini Dantes Divina Commedia vielleicht als ein nicht ganz fernliegender Referenzpunkt, der Orientierung geben kann.Il trittico — das „Triptychon“ — besteht aus drei Ein aktern, die auf den ersten Blick keine Verbindungmiteinander haben. Allerdings wird, wenn man sichin die Erzählstruktur hineinbegibt, ein übergeordnetes Koordinatensystem erkennbar. Aufgespanntzwischen Himmel und Hölle und einer niemals endenden Wartesituation, die fort während einenAusweg verspricht — dem Fege feuer —, porträtierendie drei Einakter verschiedene Facetten der Existenz,einzelne Schicksale aus einer Welt, die wenig Hoffnung bereitzuhalten scheint. Das Thema, das dieWerke verbindet, sind die jeweils in anderer Gestaltund in anderem Kolorit erscheinenden Systeme, indenen Menschen ge fangen sind. Es sind die Mahlwerke der Unfreiheit, die hier beschrieben werden.In Gianni Schicchi, mit seiner spielerischen Leichtigkeit, erschallt grell ein überbordendes Lachen, wiees nur in der Hölle zu hören sein kann. Wir sind inFlorenz, im Haus des gerade verstorbenen BuosoDonati. Die versammelte Verwandtschaft — aristokratisch und verkommen — sieht sich nach dem Auffinden des Testaments um das reiche Erbe gebracht.Nach einigen Widerständen einigt man sich, einenmissliebigen Zugereisten, den gerissenen GianniSchicchi, um Hilfe zu bitten. Dieser treibt ungehindert sein Unwesen — nicht ohne Grund tobt er beiDante als eine Art dunkler Poltergeist durch das „Inferno“: Gianni Schicchi sprengt das herrschendeSystem, bricht jedes Tabu, respektiert weder Todnoch Leben und bringt die Erbschleicher erneut umihr Erbe — alles im Geiste einer schwarzen Komödie.Schicchis Tochter Lauretta ist ein junges Mädchen,das nichts von dem verbrecherischen Treiben rundum sie erfährt. Mit ihr und ihrem Verlobten aus der12Donati-Familie, Rinuccio, wird eine neue, vielleichtbessere Zeit anbrechen.In Il tabarro (Der Mantel) sind wir vom faulendenGeruch der Seine umgeben und im Fegefeuer aufErden angelangt. Puccini siedelt das Stück in seinerGegenwart an, in Paris, in einem realistischen Milieuzwischen Hafenarbeitern, Trinkern und Huren —als hätte Georges Simenon Pate gestanden. In der drückenden Atmosphäre der Ausweglosigkeit entspinnt sich eine Dreiecksgeschichte zwischenGiorgetta, ihrem Ehemann — dem Kapitän Michele —und dessen Arbeiter Luigi. Giorgetta ist eine Frau,die schon eine Lebensgeschichte hat. Sie ist eineMutter, die ihr Kind verloren hat und deren Ehe vordem endgültigen Scheitern steht. Sie beginnt einVerhältnis mit Luigi, mit dem es ihr gelingt, moment weise ihrem trüben Alltag zu entfliehen. Aber sieist zerrissen — zwischen dem Wunsch, ihre Ehe zu retten, und der Sehnsucht, ein neues Leben zu beginnen. Der eifersüchtige Ehemann tötet schließlich den Liebhaber seiner Frau und beendet jede Träumerei. Mit Il tabarro wird das unabänderlicheDunkel der menschlichen Existenz zur Gänze ausgeschritten.In Suor Angelica hat sich die Perspektive auf das tragische Schicksal einer einzelnen Figur, der jungenNonne Angelica, zugespitzt. Sie wurde zur Strafe füreinen Fehltritt ins Kloster verbannt, fristet freudlosihr Leben und wartet auf Nachricht von ihrem Sohn,den sie seit der Geburt nicht mehr sehen durfte.Als sie erfährt, dass er gestorben ist, beschließt sie,ihrem Leben ein Ende zu setzen. Der Höhepunktder Oper ist ein ausgedehnter Monolog von 20 Minuten, in dem sich Angelica als gläubige Katholikindurch ihre Zweifel hindurcharbeitet und von ihrenGewissensbissen befreit. In einem erlösenden Endegelingt es ihr, all ihren Schmerz zu transzendierenund ihrer Marter zu entfliehen. In einem überstrahlten Finale hält Puccini ihr einen Weg in die Sphärendes himmlischen Paradieses offen.Yvonne Gebauer‘It’s better not to think,head down and bend your back.For us life is worth nothing any more,and every happiness turns to misery.’Written in the middle of the First World War,Il trit tico was premiered in New York on 14 De cember 1918. In a time of crisis, in which all valuesare called into question, to a composer such asGiacomo Puccini, Dante’s Divina Commedia mayhave seemed a not-so- remote point of referencethat could offer orientation.Il trittico — ‘the Triptych’ — consists of three one-actoperas which at first glance are unconnected withone another. However, a deeper exploration of thenarrative structure reveals an overarching systemof coordinates. Extending between heaven andhell, and a never-ending situation of waiting thatper petually promises a way out, i.e., purgatory,the three operas portray various facets of exist ence, individual fates from a world that seems tohold out little in the way of hope. The theme thatlinks the works are systems — appearing each timein a different form and colour — in which individualsare trapped. What is being described here are thegrinding mills of unfreedom.In Gianni Schicchi, with its playful levity, peals ofunbounded, strident laughter ring out — albeit ofthe kind that can only be heard in hell. We are inFlorence, in the house of Buoso Donati, who hasjust died. Once the will has been found, his as sembled kinsfolk — degenerate aristocrats — dis cover they have been deprived of their inheritance.After initial reluctance they bring them selves toseek assistance from an unpopular new comer, thecunning Gianni Schicchi. He sets to work, ruthlesslyturning the situation to his own advantage — notfor nothing does he rage through Dante’s Infernoas a kind of sinister poltergeist. Gianni Schicchidestroys the system, breaking every taboo, payingno respect to life or death, and cheats the legacyhunters of their inheritance all over again — all inthe spirit of black comedy. Schicchi’s daughterLauretta is a young girl who is innocent of thefelonious activity taking place around her. Withher and her betrothed Rinuccio, a member ofthe Donati family, a new, per haps better, timewill dawn.In Il tabarro (‘The Cloak’), surrounded by the de caying miasma of the Seine, we have arrived inpurgatory on earth. Puccini sets the piece in thepresent day, in Paris, in a realistic, Simenon-likemilieu of stevedores, drinkers and whores. In anoppressive atmosphere of hopelessness a lovetriangle arises between Giorgetta, her husband —the barge owner Michele — and his stevedore Luigi.Giorgetta is a woman with a history: she’s a motherwho has lost a child and whose marriage is on theverge of breakdown. She starts an affair with Luigi,which gives her a momentary escape from the bleak ness of her everyday life. But she is torn betweenthe wish to rescue her marriage and her yearningto start a new life. Her jealous husband kills herlover, ending any dreams of happiness. Il tabarrofathoms the entire unremitting darkness of humanexistence.In Suor Angelica the perspective has narrowed tothe tragic fate of a single figure, the young nunAngelica. Banished to the convent for an indis cre tion, she leads a joyless existence and waits fornews of her son, whom she has been forbiddento see since his birth. When she learns that he hasdied, she resolves to put an end to her life. Theclimax of the opera is an extended monologuelasting 20 minutes in which Angelica works throughher doubts as a devout Catholic and frees herselffrom her feelings of guilt and remorse. In a redemp tive ending she finally transcends all her pain andescapes her agony. With a radiant finale Pucciniopens up a path for her into the spheres of celestialparadise.Yvonne GebauerTranslation: Sophie Kidd13

SALZBURGER FESTSPIELE 2022 OPERWolfgang Amadeus Mozart (1756—1791)DIE ZAUBERFLÖTEEine deutsche Oper in zwei Aufzügen KV 620 (1791)Libretto von Emanuel SchikanederIn deutscher Sprache mit deutschen und englischen ÜbertitelnJoana Mallwitz Musikalische LeitungLydia Steier RegieKatharina Schlipf BühneUrsula Kudrna KostümeOlaf Freese LichtMomme Hinrichs VideoIna Karr, Maurice Lenhard DramaturgieNeueinstudierungHAUS FÜR MOZARTPremiere SA 30. Juli, 18:30MI 3. August, 19:30SA 6. August, 20:00MI 10. August, 18:30MI 17. August, 19:00SA 20. August, 15:00MI 24. August, 19:00SA 27. August, 15:00Tareq Nazmi SarastroMauro Peter TaminoBrenda Rae Königin der NachtJasmin Delfs* Königin der Nacht (10. August)Regula Mühlemann PaminaIlse Eerens Erste DameSophie Rennert Zweite DameNoa Beinart Dritte DameMichael Nagl PapagenoMaria Nazarova PapagenaPeter Tantsits MonostatosHenning von Schulman Sprecher / Erster Priester / Zweiter geharnischter MannSimon Bode Zweiter Priester / Erster geharnischter MannRoland Koch GroßvaterWiener Sängerknaben Drei KnabenKonzertvereinigung Wiener StaatsopernchorJörn Hinnerk Andresen ChoreinstudierungAngelika-Prokopp-Sommerakademie derWiener Philharmoniker BühnenmusikWiener Philharmoniker* Teilnehmerin des Young Singers ProjectRebecca Horn, Zen of Ara, 2011Supported by the Salzburg Festival Society (USA)15

DIE ZAUBERFLÖTESALZBURGER FESTSPIELE 2022 OPER„O ew’ge Nacht! Wann wirst du schwinden?“Zauberoper, Singspiel, Maschinenkomödie, Freimaurerritus mit ägyptischen Mysterien, heroisch komische Oper? Die Zauberflöte wird so viel gehört, so häufig aufgeführt, beredet, bezweifelt undbefragt wie kaum ein anderes Werk der Opern geschichte. Selten wurden die Rätselhaftigkeit undVielgestalt eines Werkes derart mantrisch beschworen. Und ebenso selten war ein Werk trotz dieserDiskussionen so unangefochten erfolgreich — unddas seit mehr als 200 Jahren.Singspiele in märchenhaftem Ambiente warenin der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts an denWiener Vorstadtbühnen en vogue. Auch Die Zauber flöte steht in dieser Tradition: der temperamentvolleEinstieg in die Handlung mit spektakulärer Ver folgungsjagd von Prinz und Ungeheuer, eine Liebes geschichte, an deren Anfang der Auftrag steht, eineentführte Prinzessin zu befreien, und in der Sarastround die Königin der Nacht als Antagonisten umdas Gute und Böse in der Welt zu ringen scheinen,„lustige Figuren“ wie Papageno, der wie ein Rousseau’sches Naturwesen durch alle Prüfungen einfachhindurchstolpert und sich dabei nicht nur seinenPlatz im Gefüge dieser Oper, sondern auch in denHerzen der Zuschauerinnen und Zuschauer erobert.Und nicht zuletzt die Zauberflöte selbst, ein magisches Instrument als „Titelfigur“, das gemeinsam mitdem ebenso wundersamen Glockenspiel Schicksalspielt.Der vielbegabte Künstler und geschäftstüchtige Impresario Emanuel Schikaneder schöpfte für dieAusgestaltung des Librettos aus den fantastischenWelten von Christoph Martin Wielands Märchensammlung Dschinnistan. Dabei wusste er sehr genauum die kombinatorische Wirkung von Rührung, Komik und Spektakel; sein Theater auf der Wiedenbeeindruckte mit aufwendigem Verwandlungs- undMas

dem es alljährlich gelingt, Salzburg zu einem Epizentrum des Besonderen zu machen. · Vor allem aber die Künstlerinnen und Künstler, die im besten Falle Ereignisse schaffen, die weit in den Alltag nachklingen, und nicht bloß Events. In unserem Memorandum zum 100-Jahr-Jubiläum heißt es dazu: „Die Salzburger Festspiele verstehen