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Maßhaltigkeit vonKunststoff-FormteilenMaßhaltigkeit von Kunststoff-FormteilenDie neue DIN 16742Dipl.-Ing. Dirk FalkeIngenieurbüro Falke Formteilentwicklung Werkzeugkonstruktion Füll- und Verzugsanalysen Maschinenbaukonstruktion Gerichts-, Privat- und Schiedsgutachten Beratung Spritzguss-/ Werkzeugtechnik Seminare / Inhouse-Schulungenca. 1.300 Formteil- bzw.Werkzeugprojektewww.ingbuerofalke.de11

Entscheidungsfelder zur Entwicklung und Fertigungmaßhaltiger gFertigungAlle vier Entscheidungsfelder beeinflussen dieerreichbare Qualität!2Besondere Schwachpunkte der DIN 16901 Technisch wichtige Thermoplaste, insbesondereHochtemperatur beständige Typen, sind nicht enthalten(traf Aussagen zu 53 Kunststoffsorten).Bei gefüllten und bei weichen bis gummielastischenThermoplasten fehlt meist eine ausreichendeDifferenzierung der Typen.Blendformmassen sind nicht ausreichend berücksichtigt.ließ heute unakzeptabel große Toleranzfelder zukennt nur Papierzeichnungen - kein CADFormteile bestehen überwiegend aus RegelgeometrienZu ungenaue Definition der Abnahmebedingungen32

Charakteristika der DIN 16742 Toleranzfeldgrößen der beiden Toleranzreihen der DIN16901 stehen weiter zur Verfügung (Normalfertigung,Genaufertigung)Zwei weitere Toleranzreihen mit engerenToleranzfeldern wurden hinzugefügt(Präzisions- und Sonderpräzisionsfertigung)Bedingungen für die Einhaltung dieser engenToleranzen wurden beschriebenBasiert auf den aktuellen globalen GPS-Normengenaue Definition der Abnahmebedingungen4Welche Chancen eröffnet die DIN 16742? (1)Die Norm bietet dem Formteilentwickler:- die Möglichkeit zu prüfen, ob die von ihmkonstruktiv benötigte Toleranz realistisch ist.- und wenn ja, dann mit welchemFertigungsaufwand!(Welches Kostenniveau?)53

Welche Chancen eröffnet die DIN 16742? (2)Die Norm bietet dem Formteilhersteller:- die Möglichkeit schnell und einfach zu prüfen,ob die in der Formteilzeichnung gefordertenToleranzen von ihm erfüllbar sind,- und wenn ja, dann mit welchemFertigungsaufwand!6Welche Chancen eröffnet die DIN 16742? (3)Die Norm bietet dem Werkzeugmacher:- die Möglichkeit schnell und einfach zu prüfen,ob die in der Formteilzeichnung gefordertenkonstruktiv benötigte Toleranz realistisch istund einzuschätzen, ob der beteiligteKunststoffverarbeiter in der Lage ist, dienotwendigen Voraussetzungen zu erfüllen.74

Häufige Anwendungsfehler (1) „Kunststoff ist weiches Metall“ „So anders kann der Kunststoff doch nicht sein“ „Kunststoff ist Stahl mit geringerem E-Modul“Daraus folgt die konsequente Weigerung, die Zeitabhängigkeitvieler Eigenschaften und der Maße der Bauteile aus Kunststoffzu akzeptieren.8Häufige Anwendungsfehler (2) Feuchtigkeitsaufnahme bedingte Quellung Nachkristallisation Nachschwindung Nachhärtung (bei Duroplasten)95

Häufige Anwendungsfehler (3)„Ich messe die Bauteile wann ich es für richtig halte!“„Aber das will doch der Kunde gar nicht wissen“ .10Verzug von Kunststoffteilenentsteht n)in verschiedenenGeometriebereichendes Formteils116

Verzug von Kunststoffteilen kannnicht ausgeschlossen werden, aberdurch geschickte Maßnahmenminimiert werden12Grundsatz zur DIN 16742!!! Die Toleranzen, welche erforderlich sind, um die Funktion der Bauteilesicherzustellen, muss der Formteilentwickler/ -konstrukteur festlegen.Dies ist, auf Grund der Vielzahl der Anwendungsfälle nicht normierbar! Die Norm bietet die Möglichkeit der Überprüfung, ob die Einhaltung derToleranz der Fertigungsmaße technologisch möglich ist.Weiterhin kann mit Hilfe der Norm der notwendige Fertigungsaufwandeingeschätzt werden.Wie in allen anderen Qualitätsbereichen kann auch die Norm nicht vorSelbstüberschätzungen schützen!137

Werkzeuggebundene undnicht werkzeuggebundene MaßeWerkzeuggebundene MaßeNicht werkzeuggebendene Maße14Bei Allgemeintoleranzen wird künftig nichtmehr nach werkzeuggebundenen undnichtwerkzeuggebundenen Maßenunterschieden.Dies bringt eine deutliche vereinfachteHandhabung für die Praxis.158

Anwendungsbereich Gegenstand der vorliegenden Norm sind fertigungstechnisch möglicheFormteiltoleranzen für Längenmaße sowie ausgewählte Form- undLagetoleranzen. Für Winkelabweichungen sind nur erklärende Hinweisevorgesehen. Die Maßtoleranzen gelten für das Spritzgießen, Spritzprägen, Spritzpressen und Pressen von nicht porösen Formteilen aus Thermoplasten,thermoplastischen Elastomeren und Duroplasten. Für spezielleVerfahrensvarianten ( z. B. Gas- und Wasserinjektionstechniken, Mehrkomponentenspritzgießen) werden für eine sinngemäße Anwendungder Norm Absprachen zwischen Formteilhersteller und Abnehmerempfohlen. Für poröse Formstoffe, die durch physikalische oder chemischeTreibverfahren hergestellt werden, sind die eptionelle Grundlagen Gewährleistung weitgehender Kompatibilität mit internationalemToleranz- und Passungssystem nach DIN EN ISO 286. Ersatz einer permanent zu aktualisierenden Formmasseliste durchdie Typenzuordnung mittels genauigkeitsrelevanter Eigenschaften. Einstufung des mobilisierbaren Fertigungsaufwandes (Maschinenfähigkeit, Prozessstabilität, Qualitätssicherung) für das erforderliche Genauigkeitsniveau aus einer realistischen Analyse desLeistungsvermögens des Formteilherstellers in Toleranzreihen(Aufwandsreihen). Anwendung der Tolerierungsgrundsätze179

Maßgrößen und Maßbeziehungender Streuung (Toleranz nzTeilefertigungTF CAder Verschiebung(Maßverschiebung l)CF Formteilanwendungstoleranz(Gesamttoleranz)CWder Lage(Toleranzmittenmaß C) lA (AWB) lVzur KennzeichnungTATeileanwendung(ABF)für die Maßebenen: TWWerkzeugfertigung(ABW)18Anwendungsbedingte Maßverschiebungen ( lA) Wärmedehnung ( ) oder –kontraktion (-): Durch Temperaturänderungverursachte Maßänderung, die sich mit geringer zeitlicher Verzögerung zurTemperaturänderung der Teile einstellt und daher immer zu berücksichtigen ist.Quellung ( ) und/oder Nachschwindung (-): Durch molekulare undmikromorphologische Strukturänderungsprozesse sowie durch Diffusionsund Migrationsprozesse verursachte Maßänderung, die sich mit großerzeitlicher Verzögerung zur Veränderung der jeweiligen Wirkungsfaktoreneinstellt und daher als komplexe Größe situations- und zeitabhängig zuberücksichtigen ist.Verschleiß von Innenmaßen ( ) oder Außenmaßen (-): Durch Werkstoffabtrag (Abrasion) verursachte Maßänderung, die abhängig von Art, Größeund Dauer der Verschleißbeanspruchung (Reibung, Kavitation, Erosion) zuberücksichtigen ist.Mechanische Deformation als Dehnung ( ) oder Stauchung (-): Durchäußere Kräfte und/oder Momente bewirkte Teileverformung.1910

Nachschwindung und Quellung (εK)Formstoffbeispiele für Freibewitterung im mitteleuropäischen Klimaε K maxεK( )KonditionierungQuellungε K minε K maxIIIIABF0TemperungMaß beiNachschwindungIIε K minε K max(-)Anwendungszeitε K minε K min 0ε K max 0ZeitI PA6, PA66II PP, PEIII POM, FS 3120Abnahmebedingungen der Formteilfertigung(ABF)Für normative Abnahmebedingungen gelten dieKontrollmaße als Abnahmewerte, wenn die Formteile nach der Fertigung bis zur Abnahme bei23 C 2 K und 50 % 10 % relativeLuftfeuchte gelagert sowie frühestens 16 h undspätestens 72 h nach der Herstellung geprüftwerden.2111

Zuordnung der Toleranzgruppen5Pg P ii 1TGTG1TG2TG3TG4TG5TG6TG7TG8TG9Pg12345678 922ToleranzgruppenTabelle 1: Toleranzgruppen (TG) mit zugeordnetenGrundtoleranzgraden (IT) nach DIN EN ISO 286 -1ISO-Grundtoleranzgrade (IT) für werkzeuggebundene MaßeNennmaßzuordnungin mmTG1TG2TG3TG4TG5TG6TG7TG8TG91 bis 68910111213141516 6 bis 12091011121314151617 120 bis 500–1112131415161718 500 bis 1000––131415161718N.NHinweise: Für nicht werkzeuggebundene Maße gelten die Grenzabmaßeder jeweils nachfolgenden Nennmaßbereichsstufe Toleranzen für Nennmaße über 1000 mm und unter 1 mmsowie für Wanddickenmaße sind vereinbarungspflichtig Erforderlichenfalls wurden die Grenzabmaße für IT9 und IT10auf 0,001 mm und ab IT11 auf 0,01 mm gerundet.2312

Kunststoff-Formteiltoleranzen als symmetrische Grenzabmaße fürGrößenmaße (Tabelle 2 DIN 16742 renzmaße (GA) in mm für Nennmaßbereiche in mm1bis 3 3bis 6 6bis 10 10bis 18 18bis 30 30bis 50 50bis 80 80bis 120 120bis 180 180bis 250 250bis 315 350bis 400W 0,007 0,012 0,018 0,022 0,026 0,031 0,037 0,044––––NW 0,012 0,018 0,022 0,026 0,031 0,037 0,044 0,050–––––W 0,013 0,020 0,029 0,035 0,042 0,050 0,060 0,090 0,13 0,15 0,16 0,18 0,20NW 0,020 0,029 0,035 0,042 0,050 0,060 0,090 0,13 0,15 0,16 0,18 0,20 0,22W 0,020 0,031 0,05 0,06 0,07 0,08 0,10 0,15 0,20 0,23 0,26 0,29 040NW 0,031 0,050 0,06 0,07 0,08 0,10 0,15 0,20 0,23 0,26 0,29 0,40 0,55W 0,03 0,05 0,08 0,09 0,11 0,13 0,15 0,23 0,32 0,35 0,41 0,45 0,63NW 0,05 0,08 0,09 0,11 0,13 0,15 0,23 0,32 0,35 0,41 0,45 0,63 0,88W 0,05 0,08 0,11 0,14 0,17 0,20 0,23 0,36 0,50 0,58 0,65 0,70 1,00NW 0,08 0,11 0,14 0,17 0,20 0,23 0,36 0,50 0,58 0,65 0,70 1,00 1,40W 0,07 0,12 0,18 0,22 0,26 0,31 0,37 0,57 0,80 0,93 1,05 1,15 1,60NW 0,12 0,18 0,22 0,26 0,31 0,37 0,57 0,80 0,93 1,05 1,15 1,60 2,20W 0,13 0,20 0,29 0,35 0,42 0,50 0,60 0,90 1,25 1,45 1,60 1,80 2,60NW 0,20 0,29 0,35 0,42 0,50 0,60 0,90 1,25 1,45 1,60 1,80 2,60 3,50W 0,20 0,31 0,45 0,55 0,65 0,80 0,95 1,40 2,00 2,30 2,60 2,85 4,00NW 0,31 0,45 0,55 0,65 0,80 0,95 1,40 2,00 2,30 2,60 2,85 4,00 5,50 0,30 0,49 0,75 0,90 1,05 1,25 1,50 2,25 3,15 3,60 4,05 4,45 6,20W: werkzeuggebundene MaßeNW: nicht werkzeuggebundene Maße 400bis 500–Für TG9 ist die Differenzierung von W- und NW-Maßen nicht erforderlich.24Bewertung �en, Spritzprägen, Spritzpressen1Formpressen, Fließpressen22513

Bewertung Formstoffsteifigkeit bzw.FormstoffhärteFormstoffsteifigkeit bzw. -härteP2E-Modul in N/mm²Shore DShore A; IRHDüber 1200über 75–1über 30 bis 1200über 35 bis75–23 bis 30–50 bis 903unter 3–unter 50426Bewertung VerarbeitungsschwindungVerarbeitungsschwindung (Rechenwert)P3unter 0,5 %00,5 bis 1 %1über 1 % bis 2 %2über 2 %3Bei Schwindungsanisotropie ist der maximale Schwindungskennwert für die Zuordnung maßgebend.2714

Bewertung der SchwindungsstreuungBerücksichtigung geometrie- und verfahrensbedingter SchwindungsunterschiedeP4genau möglich: Rechenwerte der VS sind bekannt (z. B. aus Erfahrungen,systematischen Messungen, Computersimulationen). Schwindungsanisotropie istbedeutungslos oder kann in der jeweiligen Maßrichtung hinreichend genau berücksichtigt werden. Mögliche Abweichungen vom Rechenwert betragen max. 10 %.1bedingt genau möglich: Rechenwerte der VS sind in Bereichen bis max. 20 %.bekannt.2nur ungenau möglich: Rechenwerte der VS sind nur als grobe Richtwertbereichebekannt. Schwindungsanisotropie kann nicht oder nur ungenügend berücksichtigtwerden. Praktische Erfahrungen zum Abschätzen relevanter Rechenwerte sind nichtvorhanden. Mögliche Abweichungen vom Rechenwert liegen über 20 %.3Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass die Schwindungsschwankungen durchVariationen der Verarbeitungsbedingungen und Unterschiede der Formmasseeigenschaften ca. 30 % des Rechenwertes der VS betragen können. Diese Auswahl ist zutreffen, wenn keine anderen Informationen vorliegen.28Anmerkung zur Bewertung derSchwindungsstreuungNach der Festlegung von P1 bis P4 und deren Addition sollte geprüftwerden, ob die funktional geforderte Toleranz mit Reihe 1 (Normalfertigung) technologisch erreichbar ist.Wenn dies erfüllt ist, erübrigen sich alle weiteren Betrachtungen.Nur wenn die funktional erforderliche Toleranz nicht erreicht wird,muss die in P5 enthaltene Erhöhung des Fertigungsaufwandes inBetracht gezogen werden.2915

ToleranzreihendefinitionDer vom Formteilhersteller mobilisierbare Aufwand für Fertigung und Qualitätssicherung ist entscheidend für das Niveau der Fertigungsgenauigkeit. EineDifferenzierung erfolgt durch Toleranzreihen.ToleranzreihenP5Reihe 1 (Normalfertigung): Fertigung mit Allgemeintoleranzen realisiertMaßhaltigkeitsforderungen, die keinen besonderen Qualitätsschwerpunkt bilden.0Reihe 2 (Genaufertigung): Fertigung und Qualitätssicherung sind aufhöhere Maßhaltigkeitsforderungen orientiert.-1Reihe 3 (Präzisionsfertigung): Vollständige Ausrichtung von Fertigungund Qualitätssicherung auf die sehr hohen Maßhaltigkeitsforderungen-2Reihe 4 (Präzisionssonderfertigung): wie Reihe 3, aber mit intensivierterProzessüberwachung-3Reihe 3 und 4 sind vereinbarungspflichtig zwischen Hersteller und Abnehmer derFormteile.30Toleranzreihenzuordnung – PrinzipSofern ein höheres Genauigkeitsniveau (Reihe 2, 3, 4) erforderlich ist, sollte dieReihenzuordnung nach Bewertung des notwendigen Erfüllungsgrades nachstehenderFragen erfolgen: Sind die Formteile kunststoffgerecht konstruiert und hinsichtlich Maßhaltigkeit optimalgestaltet und dimensioniert?Sind die Werkzeuge funktionssicher sowie mechanisch ausreichend steif, thermischund rheologisch ausbalanciert?Ermöglichen Maschinen, Anlagen und Einrichtungen sowie das Betriebspersonaleinen hinreichend präzisen Fertigungsablauf einschließlich Qualitätssicherung?Sind entsprechende Lieferbedingungen bezüglich des maßrelevanten Eigenschaftsniveaus der Formmassen, insbesondere der Schwindungsschwankungen, vereinbartund werden diese geprüft?Anmerkung: Der aktuell vom Formteilhersteller zu betreibende Aufwand ergibt sich ausden geforderten Maßtoleranzen. Präzisionsfertigung (Reihe 3 und 4) sind Sonderfälle,deren Realisierung aus betriebswirtschaftlicher Sicht (z. B. Preiszuschläge) besondereVereinbarungen zwischen Hersteller und Abnehmer erfordern.3116

Bewertung des Fertigungsaufwandes beim ThermoplastSpritzgießen nach neuer Norm als Orientierungshilfe - 1KriteriumNormalfertigungGenaufertigu

Charakteristika der DIN 16742 Toleranzfeldgrößen der beiden Toleranzreihen der DIN 16901 stehen weiter zur Verfügung (Normalfertigung, Genaufertigung) Zwei weitere Toleranzreihen mit engeren Toleranzfeldern wurden hinzugefügt (Präzisions- und Sonderpräzisionsfertigung) Bedingungen für die Einhaltung dieser engen Toleranzen wurden beschrieben