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Kolloquium Klinische Studien, ZKS 28.09.2011Roter FadenVersorgungspfadefür Patientinnen und Patientenmit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa Hintergrund : Steckbrief , Versorgung (10 F) Methode: Aufbau Netzwerk, Fragebogen (8 F)Beobachtungen aus einem Modellprojekt Ergebnisse: Akzeptanz, Prozess-/Ergebnisevaluation (17F) Diskussion: Fazit und Ausblick (3) Wieso, weshalb, warum – wer nicht fragt Angelika Hüppe, Jana Langbrandtner, Heiner RaspeInstitut für Sozialmedizin der Universität zu LübeckRehabilitationswissenschaftliche Seminar in Würzburg am 14.12.201112Zum Krankheitsbild (1) Morbus Crohn (MC) und Colitis ulcerosa (CU) sind: chronisch entzündliche Darmerkrankungen Verbreitung:In einer Stadt wie Würzburg mit 130.000 Einwohnernleben vermutlich 520 Betroffene mit MC oder CU(Prävalenz 0,4 %).„Inferno im Leib“Zitat Holger S.33 Jahre, Morbus Crohn Patient34

Zum Krankheitsbild (2) MC wie CU verlaufen in der Regel in Schüben sind „multifokale“ Erkrankungen körperliche sowie psychosoziale Problemeresultieren: aus der Krankheit aus dem chronisch Kranksein aus der anhaltenden Behandlungsbedürftigkeit „Was ist momentan das größte Problemmit Ihrer Krankheit?“Freitextfeld im Rahmen einer Patientenbefragung (10/2005 bis 06/2006);2700 verteilte Fragebögen, verschiedene Rekrutierungswege, Rücklauf 40 %Primärpublikation:Hardt J, Muche-Borowski C, Conrad, S, Balzer K, Bokemeyer B, Raspe H: Chronisch entzündlicheDarmerkrankungen als multifokale Erkrankungen: Körperliche und psychosoziale Probleme von Patienten mitCED. Ergebnisse eines Fragebogen-Surveys. Z f Gastroenterol 2010; 47:381-391Auswirkung auf Aktivitäten und Teilhabe erheblich56Selbstgenanntes Hauptproblem(1.083 Responder; Kategorisierung d. Freitextangaben, %)Wegweisend Durchfall,Bauchschmerzen 7S3 Leitlinie Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn(2008)S3 Leitlinie Diagnostik und Therapie der Colitisulcerosa (2011)„Versorgungspfade“ (2009)8

Entwicklung der „Versorgungspfade“ torensiehe Seite 19der Broschürepubliziert in Z Gastroenterol 2009; 47:541-562910Ziele des ModellprojektesMerkmale einer guten Versorgungvgl. Broschüre S. 6-8 Empfehlungen der Versorgungspfade in einer Modellregion umsetzen:Zügige Feststellung der ErkrankungVersorgung nach aktuellen LeitlinienProblemfeld-Screening (Problem-Assessment)Interdiszipinäre VersorgungPatientenschulungPartizipative EntscheidungsfindungVernetzung Akteure definieren und vernetzenFragebogen-gestütztes Assessment von Problemfeldern AssignmentAktivierung der Patienten und ihrer Ärzte durch individualisierteVersorgungsempfehlungenDabei 11Prüfung der Machbarkeit („Feasibility“)Prozess- und erste Ergebnisevaluation12

Aufbau Versorgungsnetzwerk in der Modellregion(ab 02/2010)Methodisches VorgehenEinwohner über 18 Jahre: 870.000bei 0,4% Prävalenz: 3500 tliche Netzwerker: 994 AdressenNichtärztliche Netzwerker: 362 AdressenLübeck1314Rekrutierung von NetzwerkernAufbau des CED-VersorgungsnetzwerkesGruppe AVertreter der ambulantenBehandlungsebenen Hausärzte gastroenterologischeFacharztpraxen CED-Schwerpunktpraxen/-Ambulanzen [Reha-Einrichtungen]Gruppe Bweitere ärztlicheBehandler Augenärzte Chirurgen (Proktologen) Dermatologen Rheumatologen Schmerztherapeuten(766 Adressen)Gruppe Cnichtärztl. Gruppen/Einrichtungen Ernährungsberater Ergotherapeuten Physiotherapeuten Psychotherapeuten Krankenkassen DRV Sozialberatungsstellen Selbsthilfeorganisationen(230 Adressen)(362 Adressen)1516

Beispiele zur Verknüpfung „aktiver“ Problemfelder mitmöglicher Behandlung/Beratung (nach den Versorgungspfaden)Erfassung der Problemfelder durchPatientenselbstauskunfteingesetzter Assessment-Fragebogenerfasst 22 Problemfelder nach ICF:5x körperliche Schädigungen3x psychische Schädigungen4x Risiko behaftete Personenfaktoren4x Risiko behaftete ndlung/BeratungerhöhteDepressivitätHADS-D Score / 9PsychotherapeutausgeprägtesSchamgefühltrifft voll und ganz zuSelbsthilfegruppeAlltagaktivitätenIMET-Score e 7-10Ehe/Partnerberatungfinanzielle ProblemeZuzahlungen „(sehr) schwierig“Allg. SozialberatungChronischer StressTICS 23 oder CSS 7StresstrainingErnährungIMET-Score 7-10ErnährungsberaterMedikamenteNoncompliance, Einnahmeproblemesehr häufig; keine Wirksamkeit,sehr starkes Leiden unter NWArztgespräch6x beeinträchtigte soziale Teilhabe1718Rückmeldung bei erhöhtenStresswerten enaktivierung19„Sie geben im Fragebogen an, dass Sie in Ihrem Alltagsleben durchStress belastet sind. Anhaltender Stress kann das Krankheitsbild derCED verschlechtern. Die Teilnahme an einemStressbewältigungstraining könnte Sie dabei unterstützen, mitanhaltenden Stresssituationen besser umzugehen. Sie lernen mit Hilfevon Entspannungstechniken (wie etwa das Autogene Training oder dieProgressive Muskelentspannung), kurzfristig negativen Stressabzubauen und sich seelisch und körperlich zu entspannen. InStressbewältigungskursen erlernen Sie, wie Sie stressige Situationenmit mehr innerer Ruhe bewältigen können. Zusätzlich werden Stressauslösende Situationen und Verhaltensweisen aufgezeigt und amaktiven Gegensteuern gearbeitet. Kurse zu Strategien derStressbewältigung werden z.B. von Volkshochschulen und denKrankenkassen angeboten.“20

StudiendesignCED-Patientenin derModellregion„N e t z w e r k e n“Fragebogenmind. N 200StudienteilnehmerCED-Patientenaußerhalbder ModellregionMesszeitpunkt t0mind. N Abstand : sechs Monate„usual punkt t1Fragebogen2122Rekrutierung der Netzwerker (ab Februar 2010)A) Vertreter der 3ambulantenBehandlungsebenen(764 Adressen)B) weitere ärztlicheBehandler(230 Adressen) 95 Netzwerker: Hausärzte 19 Netzwerker: Augenärzte 59 Netzwerker u.a. Ergotherapeuten gastroenterologische77 Hausärzte (11%)Facharztpraxen15Gastroenter. (36%) CED-Schwerpunktpraxen/-Ambulanzen2 Hochschulamb. (100%) Chirurgen7Augenärzte (8%) Ernährungsberater14 Ernährungsberat. (52%) Krankenkassen5 Sozialberatungsst. (19%) Physiotherapeuten15ps.Psychotherap.(16%) Rehaservicestellen9 Physiotherapeuten (9 %) Sozialberatungsstellen[ 1 Rehaklinik] Dermatologen5Schmerztherap. (13%) Ophthalmologen Proktologen3 Hautärzte (4 %) Rheumatologen1 Rheumatologe (6%) Schmerztherapeuten3 Chirurgen (25 %)Netzwerker aktivC) Nichtärztl.Gruppen/Einrichtungen(362 Adressen) Von den 94 ärztlichen Netzwerkern der ambulantenVersorgungsebene wurden angefordert:28mal Publikationen der Versorgungspfade45mal S3-Leitlinien zur Diagnostik und Therapie77mal Kurzfassungen der Leitlinien zusammengefasst in einer „Netzwerkerbroschüre“2333 von ihnen rekrutierten erfolgreich PatientInnen fürdas Problemfeld-Screening.An einer interdisziplinären Fortbildungsveranstaltungnahmen 30 der eingeladenen 173 Netzwerker teil.24

Rekrutierung Patienten und Patientinnen(2 Fragebogenerhebungen zwischen 05-07/2010 und 01-03/2011)in einer Region in Schleswig-Holstein (IG)Wo?in Minden und Herne (VG)Wie?Patienten-Rekrutierungüber Ergebnissehausärztliche und gastroenterologische Praxen/CED-Ambulanzen DCCV Presse (IG)2 CED-Schwerpunktpraxen (VG)Partizipationsrate287 für IG 38 % (geschätzt)Patienten190 für VG 58 %Dropout11,5 % (IG)zur Katamnese6,8 % (VG)ProblemlastRehabedarf25Soziodemographische und krankheitsspezifischeCharakteristika der lregion(N 254)Vergleichsregion(N 177)13,6%bis 2913,4%30 bis 4945,1%55,4%ab 5041,5%31,1%weiblich62,2%58,2% 10 Klassemittlere Reife(Fach-) AbiturMCCUkeine Aktivität(Remission)leichte Aktivitätmittlere 59,3%40,7%54,0%59,8%32,4%28,4%13,6%11,9%26die 5 häufigsten Problemfelder(Ausgangslage, IG: N 254; VG: N 177)p-Werte0.071nsns0.003Prozentns2728

Problemvielfalt zur AusgangslageProblemvielfalt im VergleichBefragte in %Gesamtgruppe (N 431)Befragte in %Anzahl aktiver Problemfelder 29Problemvielfalt über die ZeitAnzahl aktiver Problemfelder 30„Beharrliche“ Problemvielfaltzu beiden Befragungszeitpunkten in Assoziation mit (N 411, log. Regression Methode Einschluss)Befragte in %Variable (MZP 1)GIBDI ScoreDiagnoseAlterGeschlechtSchulbildungAnzahl aktiver Problemfelder 31OR Problemvielfalt ja( 5 Probleme zu MZP1 2)95 % KI0-34-78 - 11ab 12Referenz10.636.880.94.6 – 24.314.1 – 96.512.9 – 505.8CUMCReferenz2.41.3 – 4.618 – 2930 – 49ab 50Referenz0.850.430.3 – 2.10.2 – 1.2FrauMannReferenz0.70.4 – 1.4Referenz2.51.3 – 4.9Real, AbiHauptschule32

Befragte in %Subjektive Erwerbsprognose (SPE-SKALA*)Bedarf an medizinischer Rehabilitation?jeweils ein gutes Viertelder Erwerbstätigenerreicht SPE / 2Gibt es Hinweise auf eine Gefährdung derTeilhabe am Arbeitsleben?*Mittag O. et al (2003): Prädiktive Validität einer kurzen Skala zur subjektiven Prognose der Erwerbstätigkeit (SPE-Skala) .Sozial- und Präventivmedizin 48: 361-3693334Befragte in %Rehabedarf unter Erwerbstätigennach Lübecker AlgorithmusBedarf an medizinischer Rehabilitation?knapp 15 % der Erwerbstätigenbenötigen 5 und mehr „Zugänge“Was sagt der Lübecker Algorithmus?Rehabilitationsbedarf wird postuliert, wenn dieVielzahl notwendiger Behandlungen kassenärztlichambulant nur noch mit Mühe organisierbar erscheint35Anzahl benötigter Zugänge36

Beurteilung des Vorgehens (IG, Katamnese, N 254)Wie würden Sie unser Vorgehen (Bestimmung von Problembereichenmittels Fragebogen und Rückmeldung dieser mit persönlichenHandlungs-empfehlungen) insgesamt ehrgut0Keine signifikanten Unterschiede in Alter, Geschlecht, Diagnose,Schulbildung, Krankheitsaktivität oder Anzahl der Problemfelder37Was wurde genutzt? (IG, Katamnese, N 254)Weiterempfehlung? (IG, Katamnese, N 254)Weiterempfehlungja/eher hlungen90,5FB mit RückmeldungProblembereiche89,3020 65 % haben Versorgungspfadebroschüre vollständig/z. größten Teil geleseneher nein/neinNetzwerkerbroschüre4038 13 % haben die Netzwerkerbroschüre genutzt (ja/eher ja)In der Gruppe mit mindestens einem aktiven Problemfeld (N 202): 50 % haben alle bzw. einige Empfehlungen umgesetzt6080100 15 % haben die Auswertung mit ihrem Arzt besprochen3940

Beispiel chronischer Stress und Angst(TeilnehmerInnen mit erhöhten Stress- bzw. Angstwerten zum MZP 1)anhaltende Stressbelastungerhöhte Angst(TICS-SSCS-Score 23)(HADS-Score / 11)ErgebnisseES 0,58ES 0,45Hinweise auf positive Effekte?Interaktion: p 0,023Interaktion: p 0,02141Beispiel soziale Teilhabe und InformationswunschEinschränkung der soz. TeilhabeInfowunsch(IMET Summen-Score 0-80; 0 PF)(Anzahl von Themen 5)42Beispiel: Inanspruchnahme(Arztbesuche)Anzahl der ArztkonsultationenInteraktion: p 0,0164344

Resumee (1)Resumee (2)Machbarkeit / Prozessevaluation Fragebogen Screening Problemfelder Rückmeldung zu Problemprofil Akzeptanz auf Seiten der Patienten Interesse auf Seiten der BehandlerMC und CU sind mehr als eine Entzündung im Darm.Weitere körperliche und psychosoziale Lasten sindhäufig und stabil.Rehabilitative Unterversorgung?[Mit aller Vorsicht gesagt: Schritte zurImplementierung der Empfehlungen aus denVersorgungspfaden lassen auf Patientenseitepositive Effekte erkennen.]45Ausblick46Wir danken den Sponsoren der Pilotstudie Veranstaltung für Netzwerker und StudienteilnehmerInnen im Märzzur Ergebnisdarstellung und NetzwerkzukunftPrüfung der individualisierten Versorgungsempfehlungen im RCT419 GKV-Versicherte mit MC oder CUund mit 1 ProblemfeldIG: N 210Auswertung undBroschüreRund unseren Kooperationspartnern KG: N 209Usual Care und Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit !4748

Hardt J, Muche-Borowski C, Conrad, S, Balzer K, Bokemeyer B, Raspe H: Chronisch entzündliche Darmerkrankungen als multifokale Erkrankungen: Körperliche und psychosoziale Probleme von Patienten mit CED. Ergebnisse eines Fragebogen-Surveys. Z f Gastroenterol 2010; 47:381-391 7 Selbstge