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DIANA GABALDONDie Fackeln der Freiheit38266 Die Fackeln der Freiheit Titel.indd 109.10.13 16:48

BuchLord John Grey hat ein Dilemma: Am liebsten würde er Jamie Fraser, dersein Dasein als Strafgefangener in Helwater fristet, nie wiedersehen. Dochseine Offiziersehre verpflichtet ihn, eine politische Intrige aufzuklären, derenSchlüssel allein bei Fraser liegt.Jamie Fraser hat ein Dilemma: Wenn er sich weigert, John Grey bei denErmittlungen gegen ein Nest jakobitischer Verschwörer zu helfen, setzt eralles aufs Spiel, was er liebt. Ist er Grey jedoch zu Willen, geht er das Risikoein, alte Kameraden zu verraten.Doch die Katastrophe von Culloden, bei der Jamie seine geliebte Claire verloren hat, wirft einen langen Schatten, und Jamie muss verhindern, dass sichdie Jakobiten erneut erheben – und erneut dem Untergang entgegen gehen.Unfreiwillig vereint, verfolgen der Offizier und der Rebell ein gemeinsamesZiel – und besinnen sich zögernd der Freundschaft, die sie einst verband AutorinDiana Gabaldon war Honorarprofessorin für Tiefseebiologie und Zoologiean der Universität von Arizona, bevor sie sich hauptberuflich dem Schreibenwidmete. Bereits ihr erster Roman Feuer und Stein wurde international zueinem gigantischen Erfolg und führte dazu, dass Millionen von Lesern zu begeisterten Fans der Highland-Saga wurden.Die Lord-John-Romane bei Blanvalet:1. Das Meer der Lügen2. Die Sünde der Brüder3. Die Fackeln der FreiheitDie Hand des TeufelsDie Highland-Saga bei Blanvalet:1. Feuer und Stein2. Die geliehene Zeit3. Ferne Ufer4. Der Ruf der Trommel5. Das flammende Kreuz6. Ein Hauch von Schnee und Asche7. Echo der Hoffnungwww.dianagabaldon.dewww.blanvalet.de38266 Die Fackeln der Freiheit Titel.indd 209.10.13 16:48

Diana GabaldonDie Fackeln der FreiheitEin Lord-John-RomanDeutsch von Barbara Schnell38266 Die Fackeln der Freiheit Titel.indd 309.10.13 16:48

Die englische Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel»Lord John and the Scottish Prisoner« bei Delacorte, New York.Verlagsgruppe Random House FSC N001967Das für dieses Buch verwendete FSC -zertifizierte PapierHolmen Book Cream liefert Holmen Paper, Hallstavik, Schweden.1. AuflageTaschenbuchausgabe Januar 2013 bei Blanvalet,einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.Copyright 2011 by Diana GabaldonPublished in agreement with the author, c/o Baror International,Inc. Armonk, New York, U.S.A.Copyright der deutschsprachigen Ausgabe 2012 by Blanvalet Verlag,München, in der Verlagsgruppe Random House GmbHUmschlagmotiv: bürosüd , MünchenHK · Herstellung: samSatz: Uhl Massopust, AalenDruck und Einband: GGP Media GmbH, PößneckPrinted in GermanyISBN: 978-3-442-38266-8www.blanvalet.de38266 Die Fackeln der Freiheit Titel.indd 409.10.13 16:48

Für die Männer und Frauen, die sich so selbstlos für ihre geliebte Sprache einsetzen und so freundlich waren, mir im Laufder Jahre mit gälischen Übersetzungen auszuhelfen:Iain MacKinnon Taylor und seine Familie (Gälisch/Gàidhlig)in: Ferne Ufer, Der Ruf der Trommel, Das flammende Kreuzund Ein Hauch von Schnee und AscheCatherine MacGregor und Catherine-Ann MacPhee (Gälisch/Gàidhlig) in: Echo der Hoffnung, Feuer und Stein – GraphicNovel und Die Fackeln der FreiheitKevin Dooley (Irisch/Gaeilge) in: Die Fackeln der FreiheitMoran Taing!243 38266 Gabaldon Fackeln der Freiheit TB.indd 509.10.13 16:18

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InhaltsverzeichnisVorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11Prolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13Erster Teil – Das Los der Lunten . . . . . . . . . . . . . . . .151 April, April . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .172 Gälisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .243 Ein Ire, ein feiner Herr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .374 Ich passe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .545 Aufruhr der Gefühle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .666 Der Ruf der Trommel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .90Zweiter Teil – Force Majeure . . . . . . . . . . . . . . . . . . .957 Wer Londons müde ist, ist des Lebens müde . . . . . . .978 Ehrenschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1059 Eros erhebt sich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12110 Kaspertheater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14211 Ordinäre Neugier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16112 Der Bauch eines Flohs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16813 Begegnung in der Dunkelheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18314 Friedstuhl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1917243 38266 Gabaldon Fackeln der Freiheit TB.indd 709.10.13 16:18

Dritter Teil – Bestie in Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21115 Die Rückkehr des Tobias Quinn . . . . . . . . . . . . . . . . 21316 Die Turmruine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22717 Burg Athlone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24018 Lagerfeuergeschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24819 Der Mann im Moor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25820 Der Strohmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28621 Zwiebeln auf meine Wunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29522 Glastuig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30823 Plan B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31724 Palaver . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32425 Flucht aus Athlone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33326 Opiumträume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35727 Loyalität und Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36328 Amplexus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373Vierter Teil – Schuldner der Hölle . . . . . . . . . . . . . . . 39129 Die Wilde Jagd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39330 Ganz persönliche Freunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40431 Verrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41432 Duello . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42333 Billets-Doux . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43734 Alle Köpfe wenden sich,wenn die Jagd vorüberzieht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44735 Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45236 Teind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47137 Der einzige Zeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4758243 38266 Gabaldon Fackeln der Freiheit TB.indd 809.10.13 16:18

Fünfter Teil – Von Vater zu Sohn . . . . . . . . . . . . . . . . 48138 Wieder da . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48339 Und der Nebel zieht über das Moor . . . . . . . . . . . . . 49740 Der Schachzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51241 Moonlicht Flicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51642 Der Aufbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52943 Von Vater zu Sohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545Anmerkungen der Autorin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549Leseprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5599243 38266 Gabaldon Fackeln der Freiheit TB.indd 909.10.13 16:18

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VorwortDie Kurzgeschichten und Romane um Lord John hängen zwarmiteinander zusammen, sind aber so konstruiert, dass sie fürsich stehen; man muss sie also nicht der Reihe nach lesen.Was ihren Bezug zu den größeren Romanen der HighlandSaga betrifft: Die Bücher sind zwar Teil der Serie, doch sie drehen sich zum Großteil um Zeiträume, in denen Grey in dengroßen Romanen nicht im Rampenlicht steht. Das vorliegendeBuch handelt zudem von einem Teil aus Jamie Frasers Leben,der in den großen Romanen nicht vorkommt.Sämtliche Lord-John-Romane spielen in der Zeit zwischen1756 und 1766 – dieser hier im Jahr 1760 –, daher ereignensie sich mehr oder weniger in der Mitte von Ferne Ufer. WennSie Ferne Ufer gelesen haben, können Sie also jeden einzelnendavon in beliebiger Reihenfolge lesen, ohne den Faden zu verlieren.11243 38266 Gabaldon Fackeln der Freiheit TB.indd 1109.10.13 16:18

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PrologWer täglich mit dem Tod umgeht, dem stehen zwei Wege offen. Entweder wird es zur Routine, und man läuft Gefahr, ausnichtigen Gründen zu töten und seine Seele zu verlieren – dennwenn ein Leben, das man raubt, nichts wert ist, ist das eigeneauch nichts wert.Oder man wird sich umso bewusster, wie kostbar das Lebenist, und man zögert umso mehr, ein Leben zu beenden, wenn esnicht unbedingt nötig ist. Auf diese Weise läuft man zwar Gefahr, selbst das Leben zu verlieren – doch man kann auch alsLebender tot sein und umgekehrt –, nicht aber die Seele.Soldaten kommen damit zurecht, indem sie sich innerlichspalten. Sie sind ein Mann, wenn sie töten, ein anderer daheim, und der Mann, der sein Kind auf den Knien schaukelt,hat nichts mit dem Mann zu tun, der dem Feind mit dem Stiefel die Kehle zertrat. Zumindest sagt er sich das, manchmal mitErfolg.Doch ein Mensch wird gezeichnet, wenn er tötet. Ganzgleich, warum es geschieht.Es ist ein Brandzeichen auf dem Herzen, und es mag zwarverheilen, doch entfernen lässt es sich nicht, es sei denn, durchdas Schwert. Das Einzige, worauf man hoffen kann, ist eineglattere Narbe.13243 38266 Gabaldon Fackeln der Freiheit TB.indd 1309.10.13 16:18

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Erster TeilDas Los der Lunten243 38266 Gabaldon Fackeln der Freiheit TB.indd 1509.10.13 16:18

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1April, AprilHelwater, im Lake District1. April 1760Draußen war es so kalt, dass er dachte, ihm könnte derSchwanz in der Hand abbrechen. Falls er ihn überhaupt fand.Der Gedanke wehte ihm durch den schlaftrunkenen Kopf wieeiner der leisen, eisigen Luftzüge, die durch den Heubodenhuschten, und er öffnete die Augen. Jetzt fand er ihn doch;hatte ihn doch beim Aufwachen in der Faust gehalten, und dieSchauder des Verlangens zuckten ihm über die Haut wie einMückenschwarm. Der Traum hatte seinen Kopf nicht minderfest im Griff, doch er wusste, dass er in Sekunden dahin seinwürde, zerplatzt im Schnarchen und Furzen der anderen Stallknechte. Er brauchte sie, musste sich Erlösung verschaffen, solange er ihre Berührung noch spüren konnte.Hanks regte sich im Schlaf, gluckste laut, sagte etwas Wirresund sank wieder ins Leere, während er murmelte, »’dammich,’dammich, ’dammich «Jamie stieß lautlos etwas Ähnliches auf Gälisch aus undschlug seine Decke zurück. Zum Henker mit der Kälte.Er stieg die Leiter hinunter in dem halbwarmen Pferdedampfder Scheune, wäre vor Hast fast gefallen, achtete nicht auf denSplitter in seinem nackten Fuß. Hier? Er zögerte in der Dunkelheit, sein Drängen unvermindert. Ausmachen würde es denPferden nichts, doch wenn sie ihn bemerkten, würden sie vielleicht Geräusche machen und die anderen wecken.Ein Windstoß traf die Scheune und donnerte über das Dach.17243 38266 Gabaldon Fackeln der Freiheit TB.indd 1709.10.13 16:18

Ein kräftiger, kalter Luftzug, der nach Schnee roch, störte dieSchlafenden, und ein oder zwei Pferde bewegten sich leise kollernd. Von oben kam ein gemurmeltes »’dammich«, begleitetvom Geräusch eines Mannes, der sich umdrehte und sich dieDecke über die Ohren zog, um der Realität zu trotzen.Claire war noch bei ihm, stand ihm deutlich vor Augen, spürbar in seiner Hand. Er konnte sich einbilden, im Duft des frischen Heus ihr Haar zu riechen. Der Gedanke an ihren Mund,ihre scharfen weißen Zähne Er rieb sich die Brustwarze, dieunter seinem Hemd hart geworden war und brannte, und erschluckte.Seine Augen hatten sich längst an die Dunkelheit gewöhnt;er fand die leere Abfohlbox am Ende der Stallgasse und lehntesich an die Bretterwand, den Schwanz schon in der Hand, Körper und Seele voller Sehnsucht nach seiner Frau.Er hätte es hinausgezögert, wenn er gekonnt hätte, docher hatte Angst, der Traum würde ganz verschwinden, und soüberließ er sich stöhnend der Erinnerung. Hinterher versagtenihm die Knie, und er ließ sich langsam an der Bretterwand inslose Heu sinken, presste sich das Hemd um die Oberschenkel,und sein Herz hämmerte wie eine Kesselpauke.Herr, lass sie gerettet sein, war sein letzter bewusster Gedanke. Sie und das Kind.ER SCHLIEF AUGENBLICKLICH so herrlich tief ein, dasser nicht aufsprang, als ihn eine Hand an der Schulter schüttelte, sondern sich nur träge regte, während er sich im erstenMoment wunderte, warum ihn Heu an den nackten Beinenkratzte. Abrupt erwachten nun seine Instinkte, und er warfsich herum. Mit einer fließenden Bewegung sprang er auf undstellte sich mit dem Rücken zur Wand der Box.Die schmächtige Gestalt vor ihm im Schatten stieß einenKeuchlaut aus, und er identifizierte sie gerade noch rechtzeitigals Frau, um ihr nicht reflexiv Gewalt anzutun.»Wer ist da?«, wollte er wissen. Er sprach leise, seine Stimme18243 38266 Gabaldon Fackeln der Freiheit TB.indd 1809.10.13 16:18

heiser vom Schlaf, und die Gestalt wich schwankend nochetwas weiter zurück. Sie schien unschlüssig zu sein.Er war nicht in der Stimmung für Spielchen, und seine Handpackte blitzschnell ihren Arm. Sie quiekte wie ein Schwein,und er ließ los, als wäre sie glühend heiß. Er verfluchte sich inGedanken, als er über sich das aufgeschreckte Grunzen undRascheln der anderen Stallknechte hörte.»Was zum Teufel ist da los?«, wollte Crusoe wissen, dessenStimme wie ein verstopftes Rohr klang. Jamie hörte, wie er sichräusperte und Schleim in seinen halb gefüllten Topf spuckte,um dann die Leiter hinunterzurufen: »Wer ist da?«Die Gestalt im Schatten bat ihn mit wilden Gesten zu schweigen. Die Pferde waren halb wach, sie schnaubten zwar verwundert, regten sich aber nicht auf; sie waren es gewohnt, dassCrusoe in der Nacht herumbrüllte. Das tat er, wann immer erGeld hatte, um sich zu betrinken, und dann in kalten Schweißgebadet aus seinen Alpträumen zu erwachen und seine Dämonen anzukreischen.Jamie rieb sich das Gesicht und versuchte zu überlegen.Wenn Crusoe und Hanks nicht schon gemerkt hatten, dass erfort war, würde es ihnen in den nächsten Sekunden auffallen.»Ratten in der Futterkammer«, rief er hinauf. »Hab eine erschlagen.« Es war keine sehr überzeugende Ausrede; es warenimmer Ratten in der Futterkammer, und niemand hätte auchnur einen Finger gerührt, um mitten in der Nacht nachzusehen, woher die Geräusche kamen, geschweige denn, im Dunkeln Jagd auf sie zu machen.Hanks stieß einen angewiderten Laut aus, und sein Bettzeugraschelte. »Der Schotte treibt’s mal wieder mit den Pferden«,sagte er im Umgangston zu Crusoe, jedoch laut genug, umauch unten verstanden zu werden. »Ich sollte Seine Lordschaftdarauf ansprechen.«Crusoe grunzte wütend. »Nun, was auch immer du da untentreibst, MacKenzie, mach es leise!«, rief er und warf sich aufgebracht auf seinem Strohlager herum.19243 38266 Gabaldon Fackeln der Freiheit TB.indd 1909.10.13 16:18

Jamies Herz hämmerte jetzt wieder, diesmal vor Ärger undAufregung. Er griff nach der jungen Frau – ein altes Weib hättenicht so gekreischt –, diesmal aber langsam, und sie leistete keinen Widerstand, als er sie am Arm fasste. Er führte sie durchdie gepflasterte Stallgasse ins Freie. Rumpelnd schloss er dasSchiebetor hinter ihnen.Es war so kalt, dass er aufkeuchte, denn ein eisiger Windpresste ihm das Hemd an den Körper und raubte ihm denAtem. Der Mond wurde von einer dahinrasenden Wolke verdeckt, doch das Leuchten am Himmel reichte aus, um zu erkennen, wer die Störenfriedin war.»Was zum Teufel wollt Ihr?«, fuhr er sie an. »Und woherwusstet Ihr, wo ich war?« Es hatte ihm schon gedämmert, dasssie nicht zufällig im Heu auf ihn gestoßen war, denn warumsollte sich eine Kammerzofe nachts in den Stallungen herumtreiben? Sie war auf der Suche nach ihm gewesen.Betty hob das Kinn.»Da ist ein Mann, der mit Euch sprechen möchte. Er schicktmich, es Euch zu sagen. Und ich habe gesehen, wie Ihr vomHeuboden gestiegen seid.«Der letzte Satz hing zwischen ihnen in der Luft, aufgeladenwie eine Leidener Flasche. Bei der geringsten Berührung würdesich ein Funke bilden, der ihm die Haare zu Berge stehen ließ.Himmel. Hatte sie auch nur die geringste Ahnung, was er getan hatte?Er erspähte den Hauch eines Grinsens in ihrem Gesicht, bevor es vom Schatten einer Wolke verdunkelt wurde, und seineOhren wurden plötzlich heiß, weil ihm das Blut in den Kopfstieg.»Was für ein Mann?«, sagte er. »Wo?«»Ein Ire«, sagte sie. »Aber ein feiner Herr. Er sagt, ich sollEuch sagen, der grüne Zweig wird Blüten tragen. Und Ihr solltihn im Hochmoor treffen, bei der alten Schäferhütte.«Er erschrak so sehr, dass er die Kälte beinahe vergaß, obwohlihm der Wind durch das Leinenhemd fuhr und er so sehr zit20243 38266 Gabaldon Fackeln der Freiheit TB.indd 2009.10.13 16:18

terte, dass er kaum sprechen konnte, ohne dass seine Stimmezitterte. Und das kam nicht in Frage.»Ich habe nichts mit irgendwelchen Iren zu tun«, zischte er.»Und falls er zurückkommt, könnt Ihr ihm das sagen.« Er hobdie Hand an die Tür und wandte sich zum Gehen. »Ich gehe inmein Bett zurück. Gute Nacht.«Eine Hand fuhr ihm sacht über den Rücken und hielt knappüber seinem Gesäß inne. Er konnte spüren, wie ihm dort dieHaare zu Berge standen wie einem Dachs, und es kam nichtvon der Kälte.»Euer Bett ist doch inzwischen kalt wie der Tod.« Sie wardicht an ihn herangetreten; er konnte eine Spur ihrer Körperwärme hinter sich fühlen, und ihr heißer Atem drang ihmdurch das Hemd. Und sie hatte immer noch die Hand auf ihmliegen. Weiter unten jetzt. »Meins ist um einiges wärmer.«Grundgütiger. Mit zusammengekniffenem Hintern bewegteer sich langsam von ihr fort und schob das Tor auf.»Gute Nacht«, sagte er, ohne sich umzudrehen, und betratdie Dunkelheit des Stalls, in dem es seltsam raschelte. Er sahsie noch einmal flüchtig, als er sich umdrehte, um das Tor zuschließen. Im flackernden Mondschein stand sie da, die Augenzusammengekniffen wie eine wütende Katze.ER GAB SICH KEINE MÜHE , leise zu sein, als er die Leiterzum Heuboden wieder hinaufstieg. Hanks und Crusoe schwiegen vielsagend, obwohl er nicht glaubte, dass einer von ihnenschlief. Der Himmel wusste, was sie über den nächtlichen Zwischenfall erzählen würden, doch ihm war nicht danach, sichihretwegen Sorgen zu machen. Er hatte genug anderes im Kopf.Betty zum Beispiel. Denn wenn jemand auf dem Anwesenvon Helwater sein großes Geheimnis kannte, war sie es. Bettywar Geneva Dunsanys Zofe gewesen, bevor sie nach GenevasTod die Zofe ihrer Schwester wurde. Doch wie viel hatte ihrGeneva anvertraut?Immer noch konnte er den Druck ihrer Hand in seinem Rü21243 38266 Gabaldon Fackeln der Freiheit TB.indd 2109.10.13 16:18

cken spüren, und er wand sich irritiert auf seiner Matratze, bissich das Stroh durch die Wolldecke bohrte. Verflixtes Weibsbild. Sie hatte ihm einen sehnsüchtigen Blick zugeworfen, alser vor drei Jahren aus dem Gefängnis von Ardsmuir nach Helwater kam, ein jakobitischer Sträfling auf Ehrenwort, docheine Kammerzofe hatte mit einem Stallknecht nur wenig zutun, und es war ihm ein Leichtes gewesen, ihre rehäugigen Blicke zu übersehen, wenn sie zu ihm kam, um ihm zu sagen, dassLady Geneva ihr Pferd wünschte. Der Lady selbst aus dem Wegzu gehen war nicht so leicht gewesen.Er verzog im Dunkeln das Gesicht, als er an Geneva dachte.Ihm war im Moment nicht nach Großherzigkeit zumute, aberer bekreuzigte sich und sprach ein kurzes Gebet für ihren Seelenfrieden, wie immer, wenn er an sie denken musste. Er verdankte ihr so viel, der armen Kleinen, ganz gleich, was sie ihmangetan hatte.Doch warum zum Teufel spielte Betty jetzt die Vorwitzige?Geneva war seit über zwei Jahren tot, und Betty selbst warkurz nach dem Tod ihrer Herrin im Kindbett nach Helwaterzurückgekehrt. Sie hatte in den letzten sechs Monaten keinWort mit ihm gesprochen; warum ging sie das Risiko ein, mitten in der Nacht in den Stall zu kommen – und was hatte daskleine Biest nur vorgehabt? Die knarzende Leiter hinaufzusteigen und ohne Ankündigung zu ihm ins Bett zu klettern, während Hanks und Crusoe keine zwei Meter entfernt unter ihrenDecken lagen und große Ohren machten? Ihn in die Dienstbotenkammer auf dem Dachboden zu schmuggeln?Sie hatte wohl kaum unten auf ihn warten wollen; sie hatteja nicht gewusst, dass er herunterkommen würde. Außerdem hatte sie gesagt, sie hätte ihn die Leiter hinuntersteigen sehen,war da aber nicht zu ihm gekommen. Warum nicht?Die logische Antwort darauf offenbarte sich als Schlag inseine Magengrube. Sie war überhaupt nicht auf der Suche nachihm gewesen.Er saß kerzengerade da, noch bevor er seinen Gedankengang22243 38266 Gabaldon Fackeln der Freiheit TB.indd 2209.10.13 16:18

vollendet hatte. Sie hatte sich mit jemand anderem treffen wollen, und dieses Zusammentreffen war durch sein unpassendesAuftauchen unterbrochen worden.Ein Eindringling hätte sich weder in einer besetzten Boxnoch sonstwo verstecken können außer in der leeren Abfohlbox in der Nähe des Stalltores.Und das war der Grund, warum sie mich geweckt hat,dachte er, und seine Hände krallten sich in die Wolldecke. Siemusste mich fortlocken, damit der andere entwischen konnte.Himmel, er ist mit mir in der Box gewesen! Eine Mischung ausVerlegenheit und Rage ließ seine Haut prickeln. Die Vorstellung, dass Konnte es möglich sein Er hätte doch gewissgespürt, wenn jemand ?Nein, das hätte er nicht. Er hatte so verzweifelt nach einemOrt der Zurückgezogenheit gesucht, um für diesen einen Moment der Not mit Claire verbunden zu sein, dass er nicht einmal gemerkt hätte, wenn ein Bär im Schatten der Box gelauerthätte, solange dieser nicht versucht hätte, ihn zu stören.Einer der Hähne im Hühnerstall krähte, dicht gefolgt vonzwei anderen. Ein schläfriges »oh, Kack« kam von einemStrohlager neben ihm. Lautes Rascheln, als sich jemand hinsetzte, dann begann das Keuchen und Schniefen. Hanks warstarker Raucher – wenn er es sich leisten konnte –, und erbrauchte morgens eine gute Viertelstunde, bis er atmen konnte.Jamie atmete seinerseits tief durch und überlegte. Dannschlug er seine Decke zurück und erhob sich, um einem Tagentgegenzusehen, der interessant zu werden versprach.23243 38266 Gabaldon Fackeln der Freiheit TB.indd 2309.10.13 16:18

2GälischLondon, Argus House,Wohnsitz des Herzogs Harold von PardloeLord John betrachtete das mit einem Bändchen verschnürtePaket auf seinem Knie, als ob es eine Granate wäre. Es hätteauch kaum explosiver sein können, wenn es mit Schwarzpulver gefüllt und mit einer Zündschnur versehen gewesen wäre.Anscheinend verriet die Haltung, mit der er es seinem Bruderreichte, dieses Wissen, denn Hal fixierte ihn mit stechendemBlick und zog eine Augenbraue hoch. Er sagte jedoch nichts,sondern löste das Band und die Verpackung mit einer ungeduldigen Geste und beugte augenblicklich den Kopf über dasBündel dicht beschriebener Papiere, das zum Vorschein kam.Grey konnte es nicht ertragen, ihm dabei zuzusehen, wie erCharles Carruthers’ Denunziationen aus dem Jenseits las, denner erinnerte sich noch gut an jede der vernichtenden Seiten,die Hal jetzt las. Er erhob sich und ging zum Fenster der Bibliothek, das in den Garten von Argus House blickte, ohne dasRascheln der weggelegten Blätter und die gelegentlichen leisenFlüche in seinem Rücken zu beachten.Hals drei kleine Söhne spielten im Garten Jäger und Tigerund sprangen mit Gebrüll aus dem Gebüsch aufeinander los,gefolgt von begeistertem Geschrei und Ausrufen wie: »Peng!Nimm das, du gestreifter Hurensohn!«Das Kindermädchen, das am Rand des Fischteichs saß unddas Kleidchen der kleinen Dottie fest im Griff hatte, blicktebei diesen Worten auf, verdrehte aber nur mit Märtyrermiene24243 38266 Gabaldon Fackeln der Freiheit TB.indd 2409.10.13 16:18

die Augen. Es gibt Grenzen für Fleisch und Blut, sagte ihr Gesicht in aller Deutlichkeit, und dann paddelte sie weiter mit derHand im Wasser, um einen der großen Goldfische anzulocken,damit Dottie ihm Brotkrumen zuwerfen konnte.John wäre so gern dort unten bei ihnen gewesen. Es war einselten schöner Tag für Anfang April, und er spürte ihn in seinenAdern, fühlte, wie es ihn drängte, im Freien zu sein und barfußdurch das frische Gras zu laufen. Nackt in das Wasser zu rennen Die Sonne stand hoch am Himmel und strömte warmdurch die Glastüren, und er schloss die Augen und wandte ihrdas Gesicht entgegen.Siverly. Der Name schwebte in der Dunkelheit hinter seinen Augen, quer über das ausdruckslose Gesicht eines Majorsin einer Karikatur gemalt, der in Uniform gezeichnet war, einübergroßes Schwert in der Hand trug und den Hosenbodenvoller Geldbeutel stecken hatte, die ihm obszön die Rockschöße ausbeulten. Ein oder zwei davon waren zu Boden gefallen und aufgeplatzt, so dass man den Inhalt sehen konnte –Münzen in dem einen, der andere voller kleiner Gegenstände,die wie Holzpüppchen aussahen. Jede mit einem winzigenMesser im Herzen.Hinter ihm fluchte Hal auf Deutsch. Er musste bei der Stellemit den Gewehren angelangt sein; deutsche Flüche bliebenextremen Situationen vorbehalten, während Französisch beigeringfügigeren Anlässen wie einem angebrannten Abendessenzum Zuge kam und Latein bei formellen Beleidigungen, die erschriftlich zu Papier brachte. Minnie ließ weder Hal noch Johnim Haus auf Englisch fluchen, weil sie nicht wollte, dass dieJungen schlechte Angewohnheiten annahmen. John hätte ihrsagen können, dass es für solche Vorsichtsmaßnahmen zu spätwar, tat es aber nicht. Er wandte sich um und sah, dass Halaufgestanden war, kreidebleich vor Wut, ein zerknülltes BlattPapier in der Hand.»Wie kann er es wagen? Wie kann er es wagen?«Ein kleiner Knoten, den er bis jetzt gar nicht wahrgenom25243 38266 Gabaldon Fackeln der Freiheit TB.indd 2509.10.13 16:18

men hatte, löste sich in Johns Brustkorb. Sein Bruder hattesich das eigene Regiment, das 46ste, buchstäblich aus den Rippen geschnitten; es gab niemanden, der weniger Verständnisfür militärische Dienstvergehen hatte. Dennoch beruhigte ihnHals Reaktion.»Dann glaubst du Carruthers also?«Hal funkelte ihn an.»Du etwa nicht? Du hast den Mann doch gekannt.«Er hatte Charles Carruthers gekannt – in mehr als nur einerHinsicht.»Ja, ich habe ihm schon geglaubt, als er mir in Kanada vonSiverly erzählt hat, und das da «, er wies kopfnickend aufdie Papiere, die Hal jetzt auf den Schreibtisch geworfen hatte,» überzeugt mich noch mehr. Man könnte meinen, er wäreAnwalt gewesen.« Er konnte Carruthers’ Gesicht immer nochvor sich sehen, bleich im Zwielicht des Dachkämmerchens inder kleinen Garnisonsstadt Gareon, von der Krankheit gezeichnet und doch voller Entschlossenheit, so lange am Leben zubleiben, dass er gewiss sein konnte, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wurde. Ganz so lange hatte Charlie nicht mehr gelebt, jedoch immerhin lang genug, um den Fall Major Siverlybis ins letzte Detail niederzuschreiben und ihm das Ganze anzuvertrauen.Er war die Zündschnur, die diese Granate zur Detonationbringen würde. Und er wusste nur zu gut, was mit einer Luntegeschah, wenn sie erst einmal brannte.»WAS IST DENN DAS?« Stirnrunzelnd betrachtete Hal einender Papierbögen. Grey legte das Buch in seiner Hand niederund trat zu ihm, um einen Blick auf das Blatt zu werfen. Eswar in Carruthers’ Handschrift verfasst, mit derselben Sorgfaltwie der Rest; Carruthers hatte gewusst, dass er Beweismittelfür ein Kriegsgericht zu Papier brachte und hatte sich um Lesbarkeit bemüht.Lesbar war es auch, soweit Grey die Buchstaben ausmachen26243 38266 Gabaldon Fackeln der Freiheit TB.indd 2609.10.13 16:18

konnte, aus denen sich die Worte zusammensetzten. Doch dieWorte selbst so etwas hatte er noch nie gesehen.Éistigí, Fir na dtrí náisiún.Éistigí, le glór na nadhairc ag caoineadh san gaoth.Ag teácht as an oiche.Tá sí ag teacht.Tá an Banrion ag teacht.Sé na deonaigh, le gruaig agus súil in bhfiainne,Ag leanúint lucht mhóir an Bhanríon.Es sah aus wie völliges Kauderwelsch. Gleichzeitig hatte esetwas Zivilisiertes – war das das Wort? – an sich. Die Wortetrugen alle möglichen seltsamen Akzente und sahen keiner Greybekannten Sprache ähnlich, und doch machte die Zeichensetzung des Textes einen logischen Eindruck. Er stand in Versformauf der Seite, unterteilt in Strophen und etwas, das wie ein wiederholter Refrain aussah – vielleicht war es ein Liedtext?»Hast du so etwas schon einmal gesehen?«, fragte er Hal.Sein Bruder schüttelte immer noch stirnrunzelnd den Kopf.»Nein. Es sieht vage so aus, als hätte jemand versucht, Griechisch mit Hilfe des lateinischen Alphabets zu transkribieren –aber die Worte sind mit Sicherheit nicht griechisch.«»Hebräisch auch nicht«, sagte Grey und betrachtete die ersteZeile. »Russisch vielleicht? Türkisch?«»Vielleicht«, sagte Hal skeptisch. »Aber warum, in GottesNamen?«Grey überflog im Kopf, was er über Carruthers’ militärischeLaufbahn wusste, doch er brachte keine besonderen Verbindungen mit exotischen Sprachen zum Vorschein. Auch hatteCharlie nie einen besonders gebildeten Eindruck auf ihn gemacht; als Grey ihn kennenlernte, hatte er ständig Problememit seinen Rechnungen, weil er einfach nicht addieren konnte,und sein Französisch war zwar fließend, aber ordinär.27243 38266 Gabaldon Fackeln der Freiheit TB.indd 2709.10.13 16:18

»Alles andere in diesem Paket hat mit Siverly und seinen Vergehen zu tun. Logischerweise kann es hier nicht anders sein.«»War Carruthers de

geisterten Fans der Highland-Saga wurden. Die Lord-John-Romane bei Blanvalet: 1. Das Meer der Lügen 2. Die Sünde der Brüder 3. Die Fackeln der Freiheit Die Hand des Teufels Die Highland-Saga bei Blanvalet: 1. Feuer und Stein 2. Die geliehene Zeit 3. Ferne Ufer 4. Der Ruf der Trommel 5. Da